Was braucht man alles zum Konjugieren?
Konjugieren – was genau bedeutet das eigentlich? Einfach gesagt: Konjugieren heißt, ein Verb in allen Formen anzupassen, damit es zur Person, Zeit, Zahl und Stimmung passt. Dies sieht naturgemäß in allen Sprachen etwas anders aus.
Wer schon einmal Latein oder auch andere Sprachen gelernt hat, weiß: Verben sind nicht einfach nur Wörter – sie „sind die Wörter, um Handlungen und Tätigkeiten und auch Leben in verschiedenen Zeiten abzubilden. In jeder Sprache sieht das „Konjugieren“ ein wenig anders aus und man braucht auch etwas anderes. Was du in Latein brauchst, zeigt ich dir jetzt.
1. Das Verb als Ausgangspunkt
Alles beginnt mit dem Infinitiv des Verbs – der Grundform. Im Lateinischen zum Beispiel:
-
amāre – lieben
-
vidēre – sehen
-
ducere – führen
- audire – hören
Der Infinitiv ist wichtig, weil er uns sagt, zu welcher Konjugationsklasse ein Verb gehört. Lateinische Verben werden nach dem Stamm und der Endung eingeteilt (1. ( a-Konjugation), 2.( e- Konjugation), 3 (konsonantische), 4. Konjugation ( I- Konjugation) und 5. Konjugation (Misch- Konjugation) Es gibt verschiedene Infinitive des Verbs, wichtig ist hier, dass man den Infinitiv der Gleichzeitigkeit nimmt. Es ist die Form, die in der Übersetzung die Handlung in der Gegenwart darstellt. Grundschüler lernen in der Grundschule schon mit der Frage „Was wird getan?/ Was tut man? nach dem Verb bzw. Infinitiv zu fragen.
2. Den Stamm erkennen
Der Stamm ist der Teil des Verbs, auf den wir die Endungen setzen.
Beispiel:
-
amāre → Stamm: amā-
-
vidēre → Stamm: vidē-
-
ducere → Stamm: duc-
Um den Wortstamm im Lateinischen zu bekommen, muss man das re ( = Erkennungszeichen des Infinitiv Präsens Aktivs) wegnehmen. Dann hat man schon den Wortstamm, mit dem man auch die Nomen, Adjektive zu dem Verb bilden kann. Bei den meisten Konjugationsgruppen funktioniert es, wenn man das -re wegnimmt. Lediglich bei der konsonantischen Konjugation muss man das e vor dem -re auch wegnehmen, um den Wortstamm zu ermitteln. Warum? Weil es ein kurz ausgesprochenes e ist, dass leicht wegfallen kann und im Konjugieren oft durch ein langen Vokal ersetzt wird. z.B. beim Präsens (= Gegenwart) steht ab der 2.Pers. Sg. ein „i“ bis zu 2.Pl. In der 3.Pl. steht dann ein u vor der Endung.
3. Die Endungen kennen
Überhaupt die Endungen: Es gibt verschiedene Endungsreihen, die es sich definitiv lohnt zu lernen :
Aktiv, Passiv, Perfekt. Wer diese Reihen lernt und passend zu ordnen kann, hat in der Regel weniger Probleme. Mit einer Endung, die auch aus maximal zwei Buchstaben bestehen können, können die folgenden Bereiche abgedeckt werden.
-
Person: 1., 2., 3. Person
-
Numerus: Singular oder Plural
- Aktiv oder Passiv
Beispiel Präsens, 1. Konjugation: amō, amās, amat, amāmus, amātis, amant.
Das Beispiel zeigt die Aktiv- Endungen: -o,-s,-t, -mus, -tis,-nt. Diesen Endungen wird man, wenn man Latein recht früh begegnen, vielleicht nach und nach, aber früh. Hier zu muss man wissen, dass o für die erste Person Sg. steht, also die Ich-Form. Das -s steht für die 2.Pers. Sg., also die zweite Form, die Du- Form. Das t steht für die 3.Pers. Sg., die dritte Form., in der Übersetzung wird dann das Verb mit er, sie, es übersetzt oder wenn ein Subjekt im Nominativ vorhanden, wird das Substantiv im Nominativ zum Subjekt.
Dann geht es – ihr ahnt es wahrscheinlich schon- mit -mus. Dies ist die Form für die 1. Pl., also die wir- Form. -tis steht für die 2.Pl., also bei -tis wird häufig mit ihr übersetzt. Die Endung -nt steht für die 3.Pl.- Person, also für sie ( in der Mehrzahl).
Unser Beispiel übersetzt heißt dann amo- ich liebe, amas-du liebst, amat- er, sie, es liebt, amamus- wir lieben, amatis- ihr liebt und amant- sie lieben.
Wenn man bei unserem Beispiel nun die Passiv- Endungen nimmt, anstatt der Aktiv- Endungen, ergibt das folgendes: amor, amaris, amatur, amamur, amamini, amantur.
Die Passiv-Endungen stehen dann auch für Personen und den Numerus sowie bei dann Aktiv- Endungen, nur muss die passive Übersetzung berücksichtigt werden.
-or steht für 1. Sg.( Passiv!)- für die Übersetzung muss man die Form zu Hilfe nehmen: amor- ich werde geliebt. Man drückt das Verb also passiv aus. In einer guten Beziehung sollte sich das lieben und geliebt werden auch immer abwechseln.
-ris steht für die 2.Sg. Passiv, du= 2.Pers. Amaris bedeutet dann: du wirst geliebt.
-tur steht für die 3.Sg. Passiv, er, sie, = 3.Pers. Passiv. Amatur bedeutet dann: er, sie es, wird geliebt.
-mur ist dann die Endung für 1.Pl. Passiv, wir = 1.Pl. Passiv. Amamur bedeutet dann: wir werden geliebt.
-mini ist dann die passive Endung für 2.Pl. ihr. Amamini wird dann mit ihr werdet geliebt übersetzt.
-ntur steht dann für die 3.Pl. Passiv, sie . Amantur wird dann mit sie werden geliebt übersetzt.
Und jetzt kommt zu den Endungsreihen eine wirklich gute Nachricht: Lerne sie auswendig, sie kommen immer wieder vor und zwar auch in den Zeiten Imperfekt und Futur I.
Es gibt dann noch die Perfekt- Aktiv- Endungsreihe, die tanzt ein wenig aus der Reihe. Diese Endungen lauten dann:
-i,-isti,-it,-imus, -istis,-erunt.
Wer sie allerdings bei einem Verb erkennt, weiß genau, dass es sich bei diesen Formen um Perfekt handelt.
Alle aktiven Zeiten werden mit diesen 3 Endungsreihen gebildet. Bei den ganz wenigen unregelmäßigen gilt das zwar nur bedingt. Aber das gilt auch für den oft ungeliebten Konjunktiv Aktiv.
Für das Passiv Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II gelten dann andere Formeln für die Zeiten. Hier kommt das sogenannte PPP dazu. PPP ist eine Abkürzung von Partizip Perfekt Passiv. Dies ist eine ziemlich geniale Form, die ( fast) alle Verben bilden und nicht nur den Numerus, sondern auch das Geschlecht ausdrücken kann. Wir erinnern uns: Bis jetzt hatten wir nur die Möglichkeit, Aktiv oder Passiv, den Nummerus und die Person darzustellen. Nun gibt es mit dem PPP für das Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II im Passiv auch das Geschlecht zu erkennen. Das wiederum macht es für Lateinkenner, das Subjekt eindeutig dem Geschlecht nach zu identifizieren.
4. Die Zeitformen verstehen
Um richtig zu konjugieren, muss man die Zeitzeichen erkennen:
-
Präsens: ich liebe
-
Imperfekt: ich liebte
-
Perfekt: ich habe geliebt
-
Plusquamperfekt: ich hatte geliebt
-
Futur: ich werde lieben
Jede Zeit hat ihre eigenen Zeitzeichen und Endungen. Das Präsens hat kein eigenes Zeichen, die Endungen werden so an den Wortstamm angelegt. Das Imperfekt hat das Zeitzeichen „ba“, das Futur hat zwei Zeichen, da „b“ und das „e“ ( 1. Sg. a) Doch vorsichtig, diese sind nicht willkürlich zu nehmen, sondern hängen an der Konjugationsgruppe. Die a- und e- Konjugation verwendet das „b“, die anderen „e“ . Die Formeln für die einzelnen Zeiten lauten:
Präsens: Wortstamm + A/P Endung, Imperfekt: Wortstamm + „ba
5. Sonderformen beachten
Einige Verben sind unregelmäßig oder haben Dehnungs- und Vokalwechsel. Wie in jeder Sprache gibt es unregelmäßige Verben. In Latein sind es nur 5, die total unregelmäßig sind. In Latein macht es Sinn, neben der Präsensstammform und den Perfektstamm auch das komplette Präsens und das Futur samt dem Konjunktiv zu lernen. Die fünf unregelmäßigen Verben sind esse, posse, nolle, velle, malle.
Beispiele:
-
esse, sum, fui- Das Präsens geht folgendermaßen: sum, es, est, sumus, estis, sunt.Das Futur sieht so aus: ero, eris, erit, erimus, eritis, erunt.
-
possum, posse – können
6. Fazit
Konjugieren ist wie ein Baukasten:
-
Infinitiv finden → 2. Stamm erkennen → 3. Endung einsetzen → 4. Person, Zahl, Zeit prüfen → 5. Besondere Formen beachten
Wer diese Schritte kennt, kann fast jedes Verb korrekt konjugieren. Mit Übung wird das Konjugieren zu einer Art Logikspiel – man weiß, welche Teile man zusammensetzen muss, um einen Satz richtig zu formen. Man weiß mit diesen Schritten auch, was gelernt werden muss, denn es macht keinen Sinn, viele Verben in allen Zeiten mit den richtigen Personen und Anzahlen auswendig zu lernen. Das ist nur nervig und auch kaum effizent. Also natürlich hast du immer noch die Wahl, auch alle Verben in allen Zeiten auswendig zu lernen. Ist aber viel aufwendiger!
Bei einer guten Übersetzung ist die richtige Bestimmung- also das umgekehrte Konjugieren, nämlich das Erkennen von den Formen- die beste Grundlage für eine gute Übersetzung.
Super Artikel, Insa! Ich habe auch einen über lateinische Verben geschrieben: https://www.erfolg-mit-latein.de/lateinische-verbformen. Schau doch mal rein!
So empfinde ich Konjugation auch, als einen logischen Baukasten. Besonders im Englischen fasziniert mich, wie dabei sehr kompakt eine Geschichte erzählt wird, wer wie und wann was macht oder im Prozess war/ist, etwas zu machen. Sehr erfrischender Blogartikel zu diesem ansonsten eher unpopulären Thema 🙂
Vielen Dank. Es freut mich, wenn dir meine Sichtweise gefällt und du sie teilst. Ich finde es interessant, dass du das für das Englische auch so siehst. Habe ich irgendwie nie so empfunden. Aber Englisch war auch nie so meins. Aber vielleicht sollte ich mehr über die Grammatik im Englischen nachdenken?